HR Nord soll Norddeutsche Justizakademie werden
I.
Norddeutsche Justizakademie steht in den Startlöchern – „Echter Qualitätsboost für das Rechtspflegestudium“
Mit dieser Überschrift ist das Justizministerium (MJ) am 17.02.2025 an die Öffentlichkeit getreten und hat damit für viel Wirbel, Unsicherheit und auch Zukunftsangst bei den Studierenden und Lehrenden an der HR Nord sowie auch bei den Rechtspflegerkollegen/-innen im aktiven Dienst gesorgt.
Hier zu lesen: Justizministerium - Aktuelle Pressemitteilung.
II.
Stellungnahme des VdR zur Gründung einer Justizakademie
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Verband der Rechtspfleger bedankt sich für die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu dem uns am 17.02.2025 übersandten Eckpunktepapier zur Gründung einer Norddeutschen Justizakademie in Hildesheim.
Die Auflösung der Norddeutschen Hochschule für Rechtspflege und die Gründung einer Justiz-akademie lehnen wir ab. Wir sehen darin eine Herabstufung des Rechtspflegerstudiums, da der zukünftig zu erlangende Abschluss nur durch gesetzliche Fiktion einem Diplomstudiengang gleichgestellt wird.
Wie bereits das Urteil zur niedersächsischen Polizeiakademie (Urteil des VG Göttingen vom 06.11.2013 – 1 A 190/13) gezeigt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Studium an einer Akademie mit einem Studium an einer Hochschule gleichgestellt werden kann.
Die Sonderstellung des Rechtspflegers als sachlich unabhängiges Entscheidungsorgan (§ 9 RPflG) darf bei allen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden. Der Rechtspfleger unterscheidet sich durch dieses Merkmal von z.B. Polizei- und Finanzbeamten, für die bereits in der Vergangenheit Akademien eingerichtet worden sind. Dass dies bei der Fachhochschule für Rechtspflege Nord im Jahr 2007 unterblieben ist, hat seine Ursache u.a. in § 2 Abs. 1 S. 2 RPflG. Dort ist festgeschrieben, dass der Studiengang an einer Fachhochschule oder in einem gleichstehenden Studiengang zu erfolgen hat. Bereits damals wurde der Studiengang an einer Akademie nicht als gleichstehend angesehen und demgemäß die HR Nord gegründet.
Es steht zudem zu befürchten, dass ein Akademiestudium weniger attraktiv für Bewerber und Bewerberinnen ist. Die Problematik der Nachwuchsgewinnung treibt die niedersächsische Justiz seit einigen Jahren um und es ist eine kontinuierliche Verschlechterung sowohl bei den Bewerberzahlen, als auch bei den Fähigkeiten des gewonnenen Personals zu beobachten. Die Herabstufung einer im Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) verankerten Hochschule zu einer Akademie wird nicht dazu führen, dass das Rechtspflegestudium für leistungsstarke Abiturienten interessanter wird. Gerade, dass für diesen Beruf ein Hochschulstudium erforderlich ist, sollte als wichtiges Argument stärker in der Nachwuchsgewinnung und als Alleinstellungsmerkmal im Gefüge der landesweiten öffentlichen Arbeitgeber hervorgehoben und keinesfalls aufgeben werden.
Noch so viele Nachwuchsgewinnungskonzepte können nicht die Bewerberzahl erhöhen, wenn die Rahmenbedingungen zunehmend verschlechtert werden. Durch die Wiedereinführung der echten Vertrauensarbeitszeit und die Anhebung der Einstiegsbesoldung für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger würde die Attraktivität des Berufes verbessert, nicht durch die Einführung eines Akademiestudiengangs und die Abschaffung eines Hochschulabschlusses.
Auch für die Gewinnung und Haltung des erforderlichen Lehrpersonals ist eine Akademie aus unserer Sicht keine Lösung. Ziel sollte sein, qualifiziertes Personal für die Lehre zu gewinnen, vorhandenes qualifiziertes Personal zu halten und Nachwuchs für die Lehre zu begeistern. Die Freiheit der Lehre ist ein hohes Gut und im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 GG nur an einer Hochschule gewährleistet. Dieses hohe Gut sollte nicht ohne Not abgeschafft werden. Die HR Nord kann als eigenständige Hochschule aufgrund ihrer Expertise und Kompetenz geeignetes Personal für die Lehre finden, das sich in das bestehende Gefüge gut eingliedert und die erforderlichen Lehrgebiete adäquat abbildet. Nicht überzeugend ist die Annahme, dass in der Praxis ausreichend Personal vorhanden sei, welches über die erforderliche pädagogische und didaktische Eignung verfüge und bereit und in der Lage sei, an einer Akademie zu lehren. Lehren sollten diejenigen, die die Fähigkeiten dazu besitzen und sich insbesondere dazu berufen fühlen, nicht diejenigen, die vom Ministerium oder den Oberlandesgerichten dazu „abgestellt“ werden. Zudem sei angemerkt, dass bereits jetzt Lehrpersonal aus der Praxis gewonnen wird, die Bewerber und Bewerberinnen sich durch ihre Affinität zur Lehre auszeichnen, von der Hochschule in angemessenen, zum Teil niederschwelligen - Verfahren auf Geeignetheit geprüft und ausgewählt werden.
Der Status als Hochschule nach dem Hochschulgesetz ist ein Attraktivitätspunkt als Lehrstätte und Arbeitsort, welcher für die Personalgewinnung und -haltung ein wesentliches Kriterium ist. Es wird bezweifelt, dass das Lehren an einer Justizakademie und das Führen des Titels „Professorin bzw. Professor an der Justizakademie“ den gleichen Stellenwert für Bewerberinnen und Bewerber haben wird, wie die Lehre an einer Hochschule und der Titel „Professorin bzw. Professor“. Fachhochschuldozenten und –dozentinnen, gerade Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger dürften sich lediglich noch „Dozenten an der Justizakademie“ nennen.
Begrüßt wird das Ziel, es insbesondere für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger attraktiv zu gestalten, als Lehrende bzw. Lehrender an der Hochschule tätig zu sein und damit Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Die Auflösung der besoldungsrechtlichen Unterscheidungen zwischen den Professoren und FH-Dozenten, die beide zur Hochschullehrergruppe zählen, begrüßen wir ebenfalls. Die besoldungsrechtliche Angleichung wäre aber auch an der jetzigen HR Nord möglich. Bereits jetzt besteht die gesetzliche Möglichkeit, höherwertige Stellen für die Hochschule zu schaffen. Dies bedarf sicherlich intensiver Verhandlungen mit dem Niedersächsischen Finanzministerium. Nichts Anderes würde allerdings für höherwertige Stellen an einer Akademie gelten. Durch die Schaffung weiterer höherwertiger Stellen an der HR Nord würde indes die Attraktivität der Lehre gesteigert und weiterhin qualifiziertes Personal gewonnen werden.
Die Gewinnung von Lehrpersonal aus den anderen Bundesländern wäre sicherlich zu begrüßen, nur wird es wenig zielführend sein, die anderen beteiligten Bundesländer einfach „stärker in die Pflicht“ zu nehmen. Auch hier sollten Anreize durch eine höhere Besoldung ggfs. durch Funktions-zulagen oder Aufstiegsmöglichkeiten geschaffen werden.
Auch der Verwaltungsaufwand an der HR Nord und das hierdurch gebundene Personal wird sich durch die Umwandlung in eine Akademie nicht verändern. Eine Entlastung der Verwaltungsleitung durch das Entbinden von der Lehrtätigkeit mag durch diesen Umstand eintreten, jedoch wird die Lehrtätigkeit somit nur auf andere Lehrende verlagert. Außerdem wird die Entkopplung der Leitung von der Lehre kritisch gesehen. Die Leitung sollte selbst Lehrerfahrung haben, um den Besonderheiten der Lehranstalt und ihrer Mitarbeitenden gerecht werden zu können. Zudem sollte die Lei-tung des Prüfungsamtes selbst in der Lage sein, die an der Hochschule bzw. dann Akademie zu absolvierenden Prüfungen abzunehmen.
Auch der im Eckpunktepapier aufgenommene Verweis auf das Projekt Justizakademie in Nord-rhein-Westfalen vermag hier nicht zu überzeugen, da es sich in diesem Fall um eine reine Fortbildungsakademie handelt und die Ausbildung der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger weiterhin an der Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel stattfindet. Die Idee, einen zentralen Ort als Ausbildungsstätte für die Niedersächsische Justiz zu schaffen, klingt interessant, wird sich jedoch aufgrund der ohnehin bestehenden Knappheit der räumlichen Ressourcen an der HR Nord in Hildesheim nicht realisieren lassen.
Die Problematik der ausreichenden und zeitnahen Gewinnung von qualifizierten Dozentinnen und Dozenten sowie der Berufung von Professorinnen und Professoren sieht auch der Verband der Rechtspfleger und unterstützt das Justizministerium in seinem Bemühen, diesbezüglich eine Ver-besserung zu erzielen. Eine Herauslösung der HR Nord aus dem NHG wird hier, wie bereits obenstehend erläutert, als kontraproduktiv und nicht zielführend angesehen.
Vielmehr könnte die Lösung darin bestehen, den eigens für die HR Nord geschaffenen Paragraphen 53 NHG dahingehend anzupassen, dass das Niedersächsische Justizministerium an der Personalgewinnung beteiligt wird und stärkeren Einfluss auf das Auswahlverfahren nehmen kann.
Es wäre in diesem Zusammenhang auch sicherlich zielführend, die anderen beteiligten Bundesländer stärker in die Pflicht bei der Gewinnung von Lehrpersonal zu nehmen.
Wie bereits kommuniziert, sind wir – als einziger Fachverband für die Rechtspfleger/-innen in Niedersachsen - weiterhin gerne bereit, die Zukunft des Hochschulstudiums in einem ergebnisoffenen Prozess zu begleiten und zu unterstützen, um einen guten Weg für alle Beteiligten zu finden. Wir wären daher künftig für eine enge Einbindung dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Schulz Henning-Martin Paix
Vorsitzende Vorsitzender
Die Stellungnahme des VdR können Sie hier herunterladen.
III.
Auch die Norddeutsche Hochschule hat sich gegen die Umwandlung in eine Akademie ausgesprochen. Die Stellungnahme der HR Nord lesen Sie hier.