Der Referentenentwurf sieht u.a. Folgendes vor:
„Die Einführung einer bis zum 1. Januar 2027 befristeten „Opt-out“-Lösung für die Länder und den Bund in Straf-, Bußgeld-, Zivil- und gerichtlichen Strafvollzugsverfahren sowie in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wonach durch Rechtsverordnung trotz des Beibehaltens der regelhaften Verpflichtung zur elektronischen Aktenführung zum 1. Januar 2026 die Akten(weiter)führung in Papierform ermöglicht wird.“

Der Verband der Rechtspfleger (VdR) begrüßt die vorgeschlagene „Opt-Out-Lösung“ ausdrücklich. Die Einführung der eAkte in Niedersachsen erfolgt in einer Zeit, in der die Personalnot schon seit langer Zeit als dramatisch bezeichnet werden kann. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits seit langem weit über der Belastungsgrenze hinaus. Das neue System der eAkte erfordert – wie jedes neue System – Mehrarbeit. Die Kolleginnen und Kollegen besuchen Schulungen, müssen sich an die neue Arbeitsweise gewöhnen und viele Absprachen innerhalb des jeweiligen Teams treffen, um eine vernünftige Zusammenarbeit gewährleisten zu können. Zudem kann die Performance der eAkte weiterhin nicht als stabil und die Funktionalität nicht gut als bezeichnet werden.
Der enge Rolloutplan des Niedersächsischen Justizministeriums, den es im Hinblick auf den Stichtag 31.12.2025 vorgegeben hat, führt dazu, dass sich gerade Kolleginnen und Kollegen mit Mischdezernaten nahezu dauerhaft auf Schulungen befinden und mehrfach die Einführungsphase durchleben.
Aus den Pilotgerichten sind unzählige Probleme bekannt, die derzeit noch nicht vollständig behoben sind. Beispielhaft sei an dieser Stelle die umständliche Bearbeitung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse genannt. PDF-Dateien müssen häufig händisch gesplittet werden und die Vorlagen, die vom Bundesgesetzgeber vorgegeben werden, können nicht vernünftig bearbeitet werden. Dies führt zu Mehrarbeit, die bei einem solchen Massedezernat nicht zu leisten ist.
Daneben fehlt es weiterhin an der gesetzlichen Grundlage zur Nutzung eines Unterschriftenpads. Anträge in Nachlass-, Betreuungs- und sämtlichen Basicsachen werden derzeit aufgenommen, ausgedruckt, unterschrieben und wieder eingescannt. Dies stellt keinen sinnvollen und effizienten
Workflow dar und ist auch nach außen hin nicht als Fortschritt vermittelbar.
Jedes weitere Gericht, das „ausgerollt“ wird, hat aufgrund der unvollständigen Fehlerbehebung mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Der grundsätzliche Gedanke bei einem Pilotgericht ist jedoch, dass neue Systeme getestet, Fehler erkannt und behoben werden, bevor man weitermacht. Dies erfolgt im Hinblick auf den Stichtag 31.12.2025, der vom Ministerium immer wieder als unumgänglich bezeichnet wird, leider nicht vollständig.
Der VdR hat immer wieder betont, dass der Verband der Einführung einer eAkte grundsätzlich positiv gegenübersteht. Diese Aussage war jedoch immer wieder mit dem Zusatz verbunden, dass dies voraussetzt, dass es sich bei der eAkte um ein funktionierendes System handelt, dass die
Arbeit beschleunigen und auch erleichtern kann.
Leider müssen wir nun feststellen, dass die erhoffte Arbeitserleichterung bzw. -beschleunigung nicht eintritt, da das System zu fehlerbehaftet ist. Dies führt durch alle Dienste hindurch zu Frustrationen und teilweise Resignation.
Zudem müssen wir auch beobachten, dass der Druck, der durch den engen Zeitplan ausgeübt wird, zu gesundheitlichen Problemen und Überlastung der Kolleginnen und Kollegen aller Dienste führt. Die Einführung der eAkte auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
kann und darf nicht das Ziel sein!
Die vorgeschlagene „Opt-Out-Lösung“ würde dem Niedersächsischen Justizministerium Zeit ver schaffen, die vorhandenen Probleme anzugehen. Zudem würde den Kolleginnen und Kollegen Zeit gegeben, sich an das neue System zu gewöhnen, ohne im wahrsten Sinne des Wortes davon „überrollt“ zu werden.